Auf Formfunk findet man aktuell ein interessantes Interview zum Thema Design-Ethik. Darin beschreibt Tristan Harris, wie er den Umgang mit Design im Silicon Valley erlebt hat und woran es mangelt. Er kritisiert, dass große Techfirmen um die Aufmerksamkeit der User buhlen, ohne sich dabei die Frage zu stellen, ob deren Produkte und Features das Leben wirklich sinnvoll bereichern. Stattdessen findet ein Wettrennen statt, welches letztendlich das Produkt mit der größten Aufmerksamkeit gewinnt. Und die Firmen sind inzwischen wirklich gut darin, die User unterbewusst bei der Stange zu halten und Interaktionen zu erzwingen.
Is the reason that technology companies are designing these features, because they want to benefit our lives, or are the reasons that they’re designing these features and not others, because they’re trying to get our attention?
Tristan Harris
Ein simples Beispiel hierfür ist die Benachrichtigung von Facebook, dass dich jemand auf einem Foto markiert hat. Dieser einfache Text stimuliert Regionen in unserem Gehirn, die ein Verlangen danach auslösen, der Sache auf den Grund zu gehen. Oder die Autoplay-Funktion von YouTube, welche inzwischen standardmäßig aktiv ist: Am Ende eines Videos wird automatisch das nächste gestartet. Diese Funktion sorgte in der Tat dafür, dass die Besucher länger auf YouTube verweilen, so dass auch andere große Streaminganbieter wie Netflix dieses Feature übernahmen.
Der Fehler ist laut Harris die Annahme, dass die User ihre aktive Zeit auf YouTube verlängern wollen. Oder dass bei Flugsuchmaschinen nur der günstigste Preis zähle. Anstelle von Klickzeiten, Verweildauer, Pageviews etc. wünscht sich Harris, dass die Lebensqualität in den Fokus rückt. Eine sinnvolle Metrik wäre z. B. das Bedauern nach der Nutzung des Produkts (Schon wieder den ganzen Tag im Newsstream verschwendet!
). Diese Denkweise möchte Harris mit der Bewegung Time Well Spent fördern (siehe das unten angehängtes Video, inzwischen wurde die Bewegung weitergeführt und nennt sich nun Center for Human Technology). Auf deren Website findet man auch ein interessantes Ranking von glücklich- und unglücklich-machenden Apps.
Das Interview dauert fast eine Stunde und wird auf Englisch gehalten, aber es lohnt sich. Wer weniger Zeit hat, kann sich auch durch die obige Playlist klicken und sich den TED Talk dazu anschauen.
Auch ganz interessant zum Thema ist eine neue Studie, nach der die bloße Präsenz eines Smartphones das Denkvermögen beeinträchtigt.
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