Bisher gab es in diesem Blog keine Filmkritiken, aber hierfür mache ich mal eine Ausnahme:
Django Unchained
Zwar läuft der Film schon etwas länger, das mindert aber keineswegs den Eindruck, den er bei mir hinterlassen hat. Um es kurz zu sagen: Django zeigt das, was einen guten Film ausmacht.
Es geht mir vordergründig gar nicht um die üblichen positiven Eigenschaften der Tarantino-Filme wie ein hervorragendes Drehbuch mit untypischem Spannungsbogen und urschwarzem Humor, liebevoll herausgearbeiteten und inszenierten Charakteren oder dem grandiosen Schauspiel.
Vielmehr symbolisiert Tarantino mit diesem Film – als aktuelle Gipfelung oder Perfektion des eigenen Stils – für mich eine feste Institution, welche sich neben den Werken aus Hollywood, Deutschland und co manifestiert.
DAS sollte das Ziel eines jeden Filmemachers sein! Seinen eigenen Stil zu finden und zu perfektionieren, ungeachtet etablierter Quasi-Standards und ungeachtet dessen, welche Modetrends sich auftun, ohne in das sich-gegenseitig-kopieren-wollen einzusteigen. Während andere sich mit Framerates und 9D-Tripto-Okulüten herumschlagen, blickt Tarantino nach vorne und bleibt sich dabei trotzdem treu. Und ist damit sogar erfolgreich.
Das Traurige wird sein: Will man in diesem Maße innovativ sein, braucht man als Filmemacher einen langen Atem, viel Geld, und eine aufgeschlossene Infrastruktur, die in Deutschland wohl leider so nicht zu finden ist.
Was war für mich so besonders?
Ich habe in meinem Leben ja schon den einen oder anderen Film gesehen und bin als Filmemacher nicht ganz unvertraut mit dem Thema. Nun werden schon seit ca. 90 Jahren Filme produziert; vom Hocker haut mich inzwischen nicht mehr viel. Aber bei Django tauchten sie wieder auf, diese Momente, bei denen ich sagen kann: Das habe ich so noch nicht gesehen. Dazu fallen mir hauptsächlich zwei Punkte ein: Kameraführung und Soundtrack.
Kamera
Um ein paar Beispiele zu nennen – abgesehen von den typischen Tarantino-Schnitten:
- Der alles andere als dezente Umgang mit Typografie. An einer Stelle erscheint z. B. während einer Kranfahrt in den Schlamm der mehr als fette leinwandfüllende Schriftzug »Mississippi«.
- Spiel mit dem Fokus: In einer Introszene wechselt der Fokus zwischen dem im Vordergrund gehenden Sklaven im Profil und dem Steinhintergrund, auf dem die Opening Credits erscheinen.
- Spiel mit dem Zoom: An unserer Uni noch als Todsünde verschrien, wird hier der Zoom im übertriebenen Maße eingesetzt, z. B. von einer weiten Prärie auf eine Halbtotale einer Reitergruppe. Warum auch nicht? Dem Verfechter der klassischen Kamerafahrten könnte man sagen, dass es früher einfach noch keine Zoom-Optiken gab und der zoom-lose Stil somit prägend war. Neue Technik, neue Möglichkeiten.
- Sliderfahrten: Es werden keine komplexen Schienen- oder Kransysteme aufgestellt. Die Kamera fährt stattdessen auf einem Dolly, der sich auf einer starren Schiene bewegt, parallel zum Spiel, von links nach rechts oder andersrum. Wenn es sein muss, folgt am Ende noch ein Schwenk, mehr braucht es hier nicht. Dafür werden diese Sliderfahrten bei Django häufig eingesetzt, gerne auch mal mit Humor. So verfolgt die Kamera in einer Einstellung den reitenden Django so, dass sein Kopf sich »durch« die Schlinge eines Galgens bewegt.
- Slow Motion: Soweit ich mich erinnern kann, werden nicht viele Slow Motion Effekte eingesetzt. Bei einer Einstellung aber auf eine sehr interessante Weite: Anstatt einen Mann zu zeigen, der vom Pferd geschossen wird, werden lediglich die Beine des galoppierenden Pferdes gezeigt und anschließend der fallende Körper dahinter.
- Vertigo Fahrten (der Effekt einer Raumkrümmung durch gleichzeitige Kamerafahrt und -zoom): ein Klassiker, der nicht mehr viel Aufsehen erregt, sich hier aber dennoch gut einfügt.
- Spiel mit indirekter Handlung: Am Ende rettet der Held die Frau. Die Kamera zeigt, wie sie aufsteht, bleibt aber auf das leere Bett gerichtet, auf dem sich die Schatten der Umarmung zeigen.
- Kameraperfektionismus wird nicht zu ernst genommen. Das statische Introbild ruckelt beispielsweise leicht. Warum auch nicht.
Mein Fazit daraus: Wenn das Spiel perfekt ist, kann die Kamera (fast alles) machen, was sie will.
Inwiefern sich übrigens Robert Richardson und Quentin Tarantino die Bildgestaltung aufgeteilt haben, und wer somit hauptverantwortlich für den Bildstil ist, kann ich leider nicht sagen.
Soundtrack
Ich liebe Western-Soundtracks von Ennio Morricone; von Spiel mir das Lied vom Tod über Clint Eastwood bis hin zu Terrence Hill und Bud Spencer. Für Django Unchained steuerte Herr Morricone sogar einige Neukompositionen bei, weswegen es für mich natürlich ein Hochgenuß war dem zu lauschen. Der Schlußtrack passt wie die Faust aufs Auge; warum auch in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.
Auch schön anzuhören war Beethovens »Für Elise« – eines der ersten Stücke, die ich damals auf dem Piano auswendig lernen wollte/musste. Im Film wird es interssanterweise auf einer Harfe gespielt (jedenfalls so lange, bis Schultz die Dame energisch bittet, damit aufzuhören).
Story
Ganz kurz: Erwähnenswert finde ich auch Tarantinos Interesse an deutscher Geschichte und Kultur. Diesen Blick über den nationalen Tellerrand in einen Film einfließen zu lassen, finde ich sehr erfrischend. Weiter so.
Schreibe einen Kommentar