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Antiquiertes Sensorchaos und Nokias 808 PureView mit 41 Megapixeln

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Foto: nokia.com

Gerade war ich kurzzeitig verwirrt. Nokia hat auf dem diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona ein neues Kamerahandy vorgestellt: Das Nokia 808 PureView enthält eine Carl Zeiss Kamera mit einem 41(!) Megapixel-Sensor! Durch das Downsampling von 7 nebeneinander liegenden Pixeln zu einem einzigen sollen dabei super scharfe 5-8 Megapixel Bilder entstehen; die 41 MP werden nicht direkt ausgegeben. Die Carl Zeiss Optik hat eine Blende von f2.4.

Soweit so verrückt. Bekanntlich machen mehr Megapixel ein Bild eher schlechter (wie beispielsweise die Seite 6mpixel.org postuliert), das kommt auf die Sensorgröße an.

Dann las ich, dass die Sensorgröße 1/1.2 Zoll betragen soll. Kurz nachgerechnet: 1/1.2 Zoll sind 21,16mm! Die bauen einen Sensor mit den Maßen eines Four Thirds ein?? In ein Handy?? Die Kinnlade hing einen Moment in der Luft.

Zum Glück war es dann aber doch nicht so: Die Angabe der Sensorgröße 1/1.2 Inch verweist nicht auf die Sensordiagonale, sondern auf… ja, was eigentlich? 21,15mm stehen weder in Zusammenhang mit der Diagonalen des Sensors, noch mit der Breite, Höhe oder Fläche. Das Zusammenspiel der Größen kann man gut auf dieser Grafik von Wikipedia sehen:

Foto: Chriusha, CC-BY-SA-3.0
Foto: Chriusha, CC-BY-SA-3.0

In einem anderen Wikipedia Artikel zum Bildröhrenhersteller Vidicon fand ich schließlich die Lösung. Anscheinend wird hier mit einem Bezeichner gearbeitet, der auf eine Video-Aufnahmeröhre zurückzuführen ist. Ich zitiere:

Eine Eigenart bei der Größenangabe der Videoröhre bestimmt noch heute die Größen bei Sensoren von Digitalkameras: Früher gab man den äußeren Glasdurchmesser der lichtempfindlichen Frontfläche in Zoll an. Die real nutzbare Bilddiagonale war etwa 2/3 davon. Zum Beispiel besitzt das klassische 1-Zoll-Vidicon XQ-1030 bei einem Seitenverhältnis von 4:3 eine nutzbare Bildfläche von rund 10 mm × 13 mm, was einer Diagonale von 16,4 mm entspricht. Obwohl 1 Zoll (1?) 25,4 mm entspricht, wird eine Röhre als 1-Zoll-Röhre bezeichnet, die eine effektive Bilddiagonale von 16,4 mm aufweist. Diese eigenartige Berechnung wird noch heute verwendet. Ein moderner 1/2,7-Zoll-Sensor weist also nur eine reale Bilddiagonale von 1/2,7 ·16,4 mm = 6,07 mm und nicht von 9,41 mm auf. Je nach Sensortyp und Bildverhältnis schwanken die Größendifferenzen etwas.

Die Rechnung auf Basis 16,4 mm ? 1? kann nur als Anhaltswert dienen, da das Verhältnis von Röhrendurchmesser zu Bilddiagonale keine Konstante ist.

Da könnte man meinen, wir befänden uns im 21. Jahrhundert, rechnen aber immer noch mit obskuren Röhrenmaßen. Ich dachte, wenigstens wir Europäer hätten diesen Einheiten-Murks hinter uns. Verrückt.

Jedenfalls zurück zum Nokia:

Die 808 PureView hat also doch einen im Vergleich zu digitalen Spiegelreflexkameras relativ kleinen Sensor mit einer Diagonale von vielleicht 14mm. Man weiß es nicht, man kann es schließlich nicht ausrechnen, klever. Immerhin wäre der Sensor größer als der vieler Kompaktkameras, was ihn doch etwas besonders macht.

Der APS-C Sensor meiner Canon mit einer Diagonale von 28,3mm ist im Vergleich jedenfalls immer noch viermal so groß. Schön, das klingt doch realistisch und beruhigend. Und wir sind alle wieder etwas schlauer. Bis in ein paar Jahren, wo vielleicht wirklich APS-C Sensoren in Handys gequetscht werden.

Zwei Kommentare

  1. Hm, meinste wirklich APS-C in Handys? :D Ich glaub ja nicht, da müssten die Handy doch ziemlich dick werden, damit da überhaupt ein geeignet Objektiv vor passt.

    Ich könnt mir vorstellen, dass das Konzept mit den hohen Megapixeln in Zukunft “Standard” werden könnte bei Smartphones, um sie möglichst flach zu halten und die Qualität trotzdem zu verbessern. Aber erstmal abwarten wie das Pure View im Realtest abschneiden wird.

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