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Das neue Windows 10 User Interface – Erkenntnisse aus dem Designprozess

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Foto: Microsoft

Puh, da ist die Katze nun aus dem Sack, jedenfalls ein kleines Stück mehr. Am 21. Januar wurden neue Details zum kommenden Windows 10 vorgestellt, darunter HoloLens, Cortana, Spartan Browser, Surface Hub, usw. Tolle neue Dinge to come!

Was mich persönlich aber am meisten interessiert hat, war das neue User Interface von Windows 10. Denn es soll zukünftig einheitlich für alle Geräteklassen funktionieren, also für Smartphones, Tablets, bis hin zu PCs und XBox. Spannend, denn bisher hat das bei einem identischen System noch keiner hinbekommen.

Der Kraut und Rüben Wuchs in der Bedienung und viele fehlende nützliche Kleinigkeiten in Windows Systemen waren bisher der Grund, warum ich mich lieber vor ein Mac OS X setze. Windows Phone mit einem endlich bis in alle Ecken durchdachten User Interface machte Hoffnungen darauf, dass mit dem kommenden Windows 10 endlich alles mal einheitlich funktioniert.

Mir sind besonders ein paar Punkte aufgefallen, fangen wir mal an:

Komplett sichtbares Hintergrundbild

Neu:

Windows 10 Startscreen Mobile und Desktop

Alt:

Erde aus dem Weltraum als Kachel

Zukünftig wird Windows 10 auf Mobilgeräten ein Hintergrundbild bekommen, welches nicht mehr nur durch die Kacheln scheint. Dazu das Zitat von Joe Belfiore: A nice personalization feature that a lot of our users have been asking for. Das war so ein Moment, wo mir eines klar wurde:

Selbst das beste Design kann grundlegende Wünsche nicht unterdrücken.

Die alte Hintergrundvariante ist aus Sicht eines Designer genial, super durchdacht, schön, anders. Das alles nützt aber nichts, wenn die Anwender dadurch ihre Familie, Kind, Hund, Auto nicht vollständig sehen können. Eine solche Situation ist mir selbst auch schon bei diversen Designprozessen untergekommen mit der Folge, dass die gewünschten Elemente nachträglich umständlich in das Designkonzept eingepasst werden mussten. Das gelingt allerdings selten. Deswegen sollte ein gutes Design vor allem in erster Linie die Ansprüche der Benutzer erfüllen.

Das als kleinen Einschub. Als Designer finde ich abgesehen davon das vollständig sichtbare Wallpaper auf dem Smartphone persönlich trotzdem nicht besser, denn es entstehen so neue Probleme:

Alt:

Neu:

Beim Öffnen einer App vom Startscreen unter Windows Phone 8.1 fliegen die Kacheln davon und hinterlassen einen schwarzen Hintergrund, in den sich die neue App hineinöffnet. Die Animation ist insgesamt sehr fließend (und natürlich wunderschön). Wenn nun also unter Windows 10 ein vollflächiges Hintergrundbild zu sehen ist, wie soll dieses in die geöffnete App übergehen? In der Präsentation ist es leider recht schlecht gelöst: Die Kacheln fliegen zur Seite, das Hintergrundbild bleibt stehen, dann wird das komplette Bild abrupt weiß, und daraufhin wieder schwarz, um die geöffnete App einfliegen lassen zu können. In den Videos sieht man den Unterschied recht gut. Ich hoffe stark, dass daran noch gearbeitet wird.

Die Charms Bar ist Geschichte

Benachrichtigungszentrale Windows 10

Öffnet sich unter Windows 8 noch beim Wisch von rechts eine Leiste mit Homebutton, Share, Einstellungen usw., wurde diese in Windows 10 durch eine Benachrichtigungszentrale ersetzt. Meiner Meinung nach ein richtiger Schritt, denn:

  • Die Charms Bar erfüllt nur wenige Funktionen, und davon sind auch oftmals nie alle gleichzeitig für die gerade geöffnete App möglich.
  • Zukünftig werden Suche und Menü als permanent sichtbare Buttons innerhalb der App angezeigt. Auch die Taskleiste mit Suche und Windows Startbutton wird permanent sichtbar bleiben. Hier zeigt sich wieder: Was der Anwender nicht direkt sehen kann, wird auch nicht benutzt. Das gleiche Schicksal erlitt das Kontextmenü innerhalb der ersten Android-Versionen, es hat schlicht kaum jemand gefunden. Dort wurde es auch ersetzt durch ein permanent sichtbares Menü. Für die Benutzbarkeit also ein klares Plus.
  • Konsistenz zwischen Phone und Desktop

Übersichtlicheres Multitasking

Habe ich in meinem Artikel von damals noch den App Switcher fürs Multitasking bemängelt, wird dieser in Windows 10 endlich übersichtlicher und ähnlicher dem vom Windows Phone daherkommen. Hier zu sehen:

Sehr schön gelöst finde ich, eine Mischung des Windows Phone Switchers und Exposé.

Offene Designlücken

Wenn wir hier von einer einheitlichen Nutzererfahrung aka User Experience reden, stellt sich die Frage, was mehr wiegt: die gerätespezifischen Besonderheiten (Haltung, Betrachtungsabstand, Interaktion) oder die Konsistenz der UI über alle Geräteklassen? Eine schwierige Frage, die es wohl immer individuell für jeden Designfall zu lösen gilt. Bei einigen Punkten finde ich ist da bisher noch Nachholbedarf:

  1. Der App Switcher wird auf dem Desktop per Wisch von links aufgerufen, warum nicht auch auf dem Smartphone? Hier wäre es der lange Druck auf die Zurück-Taste. Die einzigen zwei Grund, die meiner Meinung nach dagegen sprechen, sind der Landscape Modus (hier könnte man beim Wischen versehentlich auf die kapazitiven Tasten kommen) und die Umgewöhnung der bisherigen Nutzer. Beides hier vernachlässigbar finde ich.
  2. Das gleiche gilt für die Benachrichtigungszentrale. Warum nicht per Wisch von rechts statt von oben? Spricht da wirklich was gegen, außer dass »es alle anderen auch von oben machen«?
  3. Wird die Actionbar durch einen Menübutton ersetzt? Zu sehen ist das ganze z. B. in der Vorstellung der Office Apps:
    Menu Button Windows 10 mobile
    Ich hoffe doch sehr stark, dass dieser nicht generell auch auf Smartphones nach oben wandert. Wie ich hier schon geschrieben habe, ist das für eine Einhandbedienung eine sehr ungünstige Position. Und da Windows Phone bisher das einzige System ist, welches durch die unten angeordneten Menüleiste konsequent bequem einhändig bedienbar ist, wäre das schon ein Rückschritt. Hoffentlich macht sich da noch jemand Gedanken zu. Das mindeste wäre, dass das Menü auch per Swipe geöffnet werden kann.
  4. Die folgenden Punkte gehören wohl eher in die Kategorie Wunschdenken, sind aber für Windows ziemlich fällig. Erstens müssen die Icons mal alle der Modern UI angepasst werden. Es beißt sich doch nichts schlimmer als 3D schattierte und flache einfarbige Icons.
  5. Warum warum warum ist sogar in der Windows 10 Preview immer noch als einziges Icon der hässliche Papierkorb auf dem Desktop verankert? Ab in die Taskleiste damit wie unter OS X! Der Desktop kann endlich komplett frei bleiben und Dokumente können auch bei einem Fensterwust schnell durch Drag & Drop gelöscht werden.
  6. Ich hoffe, dass auf die gesamte UI noch mal ein Designer drüber schaut und den Schriftwust etwas eindämmt. Bisher kann ich bei den Schriftgrößen und -abständen noch kein System erkennen. Wenn diese Punkte alle beherzigt werden, gibts demnächst wieder einen Windows Rechner ;)

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